Logbuch des Captains

Mein erster Törn als Skipper ging ins Ionische Meer, ein mir vertrautes und durch den Inselbogen auch relativ einsteigerfreundliches Revier. Begleitet wurde ich von Pete und Öri. auf dem Flaggschiff unserer kleinen Flottille.

Statt einen weiteren Törnbericht zum weg-träumen zu verfassen möchte ich mich hier aber einmal auf alles fokussieren, was mich als neuen Skipper überrascht, gestresst und auch mal wach gehalten hat. Lernen kann man schließlich immer am besten aus Fehlern, den eigenen und denen der anderen.

Die Route

Zuerst ein kleiner Überblick, wir waren im Ionischen Meer unterwegs, von Lefkas nach Zakynthos, insgesamt 185 Seemeilen in einer Woche. Die Route haben wir so gewählt, um den anderen Charterern in der Hauptsaison davonzulaufen, in der Hoffnung weniger Stress in den Häfen und Buchten zu haben. Das hat auch ganz gut geklappt, allerdings ist die Meilenzahl für einen Urlaubstripp schon an der Grenze und mit der Passage nach Zakynthos ist auch ein etwas schwierigeres Gebiet eingeschlossen.

Dem geneigten Leser würde ich daher eher zu einer kürzeren Route, um die 100 sm, Mitte Juni, im Nördlichen Revier raten. Aus meiner Sicht einer der Besten Zeitpunkte, weniger Auslastung, kaum Risiko für starke Winde, normalerweise gutes Wetter und ein übersichtliches, einfaches und schönes Revier.

Samstag: Die Reise Beginnt

Am Ersten Tag stehen mit der Proviantierung, der Bootsübernahme und der (Sicherheits)Einweisung der Crew einige wichtige Themen für den frisch gebackenen Skipper auf dem Plan. Mehr dazu vielleicht in einem zukünftigen Beitrag. Hier soll es um die Reise gehen.

Gleich beim Auslaufen aus dem Hafen kann vieles schief gehen, die Abläufe an Bord sind noch nicht eingeübt und der Skipper ist mit dem Schiff nicht vertraut. Außerdem ist im Hafen normalerweise wenig Platz und damit auch wenig Zeit, sollte etwas schief gehen. Das Ablegen ist zwar eine der leichtesten Übungen, mit Blick auf die enge Boxengasse habe ich hier aber noch unseren freundlichen Vercharterer ans Steuer gelassen. Richtig übernommen habe ich das Schiff also erst im Kanal von Lefkas.

Jetzt sollte wirklich alles ganz einfach sein, dem langen Kanal folgen, immer auf die Tonnen und den Tiefenmesser achten und dann Segel setzen! Genauso, wie ich mir das im Vorfeld auf den Karten überlegt hatte. Es ist 16:00 Uhr und der Wind kommt schwach und stabil aus Westen, Raumschotkurs gen Osten, jetzt kann es los gehen.

Und schon schlägt Poseidon zu! Patenthalse, wir luven an und sind plötzlich auf Westkurs, hart am Wind und der wird stärker, viel stärker, wir bekommen Lage und das Boot reißt am Steuer. Gut ganz so dramatisch war die Situation nicht, es war ein eher ruhiger Tag und nach ein paar Übungsrunden lagen wir wieder stabil auf Kurs.

Trotzdem war es für mich ein unerwarteter Schreckmoment. Was ist schiefgelaufen? Die Mannschaft konnte die Kommandos nicht sauber umsetzten, der Co-Skipper hat eine Patenthalse gefahren und dann sind wir in die Fallwinde der Westküste gekommen, die den Wind böiger und stärker wirken lassen.

Und wer ist schuld? Na ich! Als Skipper muss man damit rechnen, dass sich alle erst wieder an das Bordleben gewöhnen müssen, das gilt nicht nur für die Greenhorns sondern auch für die Erfahrenen. Deshalb ist es wichtig vor dem Ersten Manöver alles genau zu erklären und sicher zu stellen, dass jeder weiß was zu tun ist. In der Situation hätte ich dann das Steuer nicht abgeben dürfen, für den Co-Skipper ist es am ersten Tag auch schwierig von Null auf Hundert das Steuer zu übernehmen, lieber die Crew Arbeit delegieren oder schon unter Motor das Steuer abgeben. Nicht zu vergessen, die Geografie im Blick haben. Das entlang dieser Küste Fallwinde auftreten können, hätte ich auch schon in der Vorbereitung erkennen und abspeichern können.

Sonntag: Der Längste Schlag

Nach einigen Fehlversuchen lagen wir sauber im Päckchen und die Sonne verschwand am Horizont. Der Plan war früh morgens aufzubrechen, um am frühen Abend unser 60 sm entferntes Ziel zu erreichen. Schöner, aus Sicht des Urlaubers, wäre eine Nachtfahrt gewesen, die habe ich mir aber noch nicht zugetraut.

Um 5:30 haben wir den Anker aufgeholt und sind unter Motor unserem Flaggschiff gefolgt. Die Crew schläft, der Kurs stimmt, Zeit für einen ersten Kaffee? Von wegen, Anruf von Pete, das Backbordlicht funktioniert nicht. Mist, also das Steuer meinem Co-Skipper übergeben, ab an den Bug und ja, der rote Sektor ist leider tot.

Mit etwas Kraftaufwand lässt sich das Gehäuse öffnen und schnell ist der Wackelkontakt an der Birne gefunden und provisorisch behoben. Leider ist das Gehäuse nicht mehr fest zu bekommen, ich habe eine Schraube übersehen und das morsche Plastik ausgebrochen. Zum Glück steht Panzertape auf der Packliste des Captains, so dass der Schaden nach einigen Minuten repariert war.

Fazit, es ist immer wichtig für kleine Reparaturen gerüstet zu sein. Später haben wir das Licht noch mit Kabelbindern zusätzlich verstärkt, so dass es trotz Wellenschlag bis zum Letzen Tag gehalten hat. Besser wäre es gewesen die Funktionsfähigkeit bei der Übergabe oder zumindest am Abend vor der Dämmerungsfahrt zu prüfen. Da man nie an alles denkt ist meine Lektion, nach dem Ankerbier nochmal die Planung für den nächsten Tag durchzugehen und auf Materialerfordernisse (Schlauchboot, Landleinen, Navigationslicht, …) abzuklopfen.

Montag: First Blood

Nach der langen Überfahrt stand Landurlaub auf dem Programm, die Crew durfte sich Zakynthos anschauen, während der Co-Skipper und ich die Gelegenheit nutzten in der Bucht noch ein paar Trainingsmanöver zu fahren. Ankern, auf dem Teller drehen und Schlauchboot Manöver. Boje über Bord hatten wir schon am Vortag mit der ganzen Crew geübt, man will ja schließlich selbst auch gerettet werden.

Die Übungen haben sich dann auch prompt ausgezahlt, da wir den Reiseplan kurzfristig etwas angepasst haben und bereits am Abend in den ersten Hafen eingelaufen sind. Das Hafenmanöver verlief aber unspektakulär, ok ich habe drei Versuche gebraucht, aber mit Schwierigkeiten im ersten Hafen hatte ich fest gerechnet. Hier hat sich letztlich auch die gute Planung ausgezahlt. Zakynthos hat einen großen Hafen, es gibt reichlich Platz, um Fehler zu korrigieren und ich war auf den Hafen und die vorherrschenden Winde gut vorbereitet.

Spannend wurde es am dritten Tag unseres Urlaubs aus einem anderen Grund, wir hatten die erste Verletzung zu beklagen. Der Deckel einer Backkiste war nicht an der Reling gesichert, das Bein meines Co-Skippers kam dazwischen und mit der nächsten Welle hat es geknallt. Zum Glück die ganze Wade, so ist er mit einer fiesen Prellung davongekommen. Aber was, wenn es die Hand gewesen wäre?

Verletzungen führen schnell zu Abwägungsproblem, eine Prellung? Dann reicht es zu kühlen, sollte aber doch etwas gebrochen sein müssen wir in den nächsten Hafen. Der Rettungsweg von einem Boot ist oft um ein Vielfaches länger als an Land, der nächste Hafen schnell mehrere Stunden entfernt. Also Hilfe anfordern? Oder doch erst einmal abwarten, wie sich die Verletzung entwickelt? Im Zweifelsfall kann ein Funkarzt unterstützen. Ein Glück, dass es für uns beim kurzen Schrecken und einer schmerzhaften Prellung geblieben ist.

Dienstag: Steifer Wind von Vorne

Steifer Wind nach der Beaufort Skala, das klingt nicht so übel, aber wir hatten in der Spitze um die 30 kn Wind (6-7 BF) und Wellen bis auf Augenhöhe. Das Foto zeigt unser Flaggschiff kurz nach dem Hafen, als die Lage noch ruhig war und ich Zeit zum Fotografieren hatte.

Für Landratten, die einen schönen Segelurlaub verbringen wollen schon ziemlich haarige Bedingungen. Für echte Seebären eigentlich noch nicht besonders wild. Klarer Fall, wir gehören zur ersten Kategorie und laut Chartervertrag dürfen wir bei Vorhersagen über 6 BF auch gar nicht auslaufen. Und ja, der Vercharterer hängt wie die Maus in der Bord-Elektrik und trackt mit, hier sollte man sich also nicht wundern, wenn es bei Nichtbeachtung Ärger gibt.

Aber gut, die Vorhersagen waren deutlich niedriger und wir jetzt mittendrin. Bevor wir uns ganz schlüssig waren, ob wir die Segel setzen sollen, oder nicht hat der Wellengang bereits seinen Tribut gefordert und zwei von sechs Crew Mitgliedern begannen die Fische zu füttern. Derart geschwächt haben wir uns unter Motor durch die raue See nordwärts gekämpft und schließlich auf Höhe von Kefalonia am Strecktau gesichert Segel gesetzt. Navigatorisch hätte ich das rückblickend vermutlich anders gemacht, am Land entlang nach Westen, wenn möglich unter Segeln, dann hart und kurz nach Norden. So hätte die Crew wohl etwas weniger gelitten, aber das soll nicht die Lektion des Tages sein, stattdessen möchte ich über Rettungswesten und Lifelines schreiben.

Grundsätzlich bietet sich hier der gleiche Lehrsatz wie beim Reffen an, sobald man darüber nachdenkt, ist vermutlich auch ein guter Zeitpunkt die Dinger anzulegen. Ich persönlich würde der Lifeline sogar den Vorzug geben, liegt man erst mal im Wasser ist alles scheiße, besser an Bord bleiben. Allerdings behindert die Lifeline natürlich auch stärker und erfordert für Arbeiten am Vorschiff das Ausbringen von Strecktauen.

Zwei Erkenntnisse habe ich am vierten Tag mitgenommen. Erstens wir hätten den Umgang mit Lifeline, Schwimmweste und Strecktau vorher üben sollen, bei schwerem Wetter dauert es sonst ewig, bis alle versorgt sind. Zweitens die Crew folgt dem Skipper. Zwar kann jeder für sich selbst entscheiden, dass er sich sichern will, oft will aber keiner der Erste sein. Legt man selbst die Schwimmweste an vermeidet man diese Situation elegant. Wird die Lage ernster liegt es am Skipper ein klares Kommando zu geben.

Mittwoch: Landgang

Nach der stürmischen Überfahrt des Vortages kam Ithaka gerade zur rechten Zeit. Die Tagesstrecke war mit 20sm überschaubar und am frühen Nachmittag haben wir uns in die schnell anwachsende Schlange der einlaufenden Schiffe eingereiht. Beim Zweiten Mal lief das Anlegen schon deutlich besser als in Zakynthos, nur ganz zum Schluss habe ich zu früh aufgestoppt, was mich direkt auf das Nachbarschiff gedrückt hätte. Aber im Flottillenverbund konnte ich mich immer auf eine ausgezeichnete Landcrew verlassen, die sofort mit Fender und Leine gegengehalten hat.

Die Lektion des Tages habe ich aber später gelernt, als ich mir unsere Nachbarn näher angeschaut habe. Wie im Hafenführer verzeichnet, wird der Kai in Vathi nach Nordwesten immer flacher, schon einige Schiffe backbord von unserem Liegeplatz wurden die Yachten durch Katamarane ersetzt. Noch etwas weiter und selbst die Katamarane mussten mit gehörigem Abstand zum Ufer ankern.

Besonders gemein, das Ufer steigt sehr schnell in Form einer Stufe an. Im Zweifelsfall würde einen die Technik nicht rechtzeitig warnen. Deshalb:

  • Seekarte und Hafenführer rechtzeitig studieren, auch eine gute Grundlage zur Manöverbesprechung
  • die Liegeposition und den Tiefgang der Boxnachbarn beachten, ähnliches zu ähnlichem
  • in Rückwärtsfahrt auch mal ins Wasser schauen oder schauen lassen

Auch sehr lehrreich, muss man vor dem Ufer aufstoppen kann der findige Skipper seine Gangway oft mit einfachen Mitteln verlängern. Gesehen habe ich das Beiboot am Führungsseil, Gangway plus Verlängerungsbrett / SUP gestützt durch Bojen und das Beiboot Kiel nach oben als Insel, die die Gangway verlängert. Pro Tipp, in Vathi kann man auch im Hafenbecken ankern, dann braucht man zwar auf jeden Fall das Beiboot um an Land zu kommen, aber es ist doch immer gut einen Plan B zu haben.

Donnerstag: Im Päckchen unter der Windmühle

Um mein Logbuch zu zitieren, „wir waren bums schnell“. Tatsächlich einer der schönsten Segeltage. So langsam waren wir eingespielt und trotz starkem Wind sind wir diesmal unter Segeln übers Meer geflitzt. Die Route führte uns nach Kastos im Rennen gegen unser Führungsschiff. Eine ganze Zeit lang lagen wir auch vorne. Auf Höhe Atokos haben wir dann bei 6 Beaufort Westwind die Führung verloren. Der Seegang war auch schon wieder ordentlich, also Westen an und Abstand zum Land, um nicht wieder in Fallwinde zu geraten oder durch Winddrehern im Schatten der Insel überrascht zu werden.

Für die Nacht hatten wir uns eine kleine Bucht auf Kastos unterhalb einer alten Mühle ausgesucht. Als besonderes Highlight für die Crew waren Cocktails auf der Terrasse der Mühle beim Sonnenuntergang angekündigt. Die Bucht war schon belegt, aber gut im Päckchen passen wir da mit Landleine schon noch hin, wird das Ankermanöver halt etwas stressiger. Nächste Schwierigkeit, viel Seegras, wenig freie Sandfläche, den Ankerspot müssen wir also auch gut treffen, ok dann dauert es halt etwas länger. Eine ganze Weile später ist schließlich alles geschafft und unser zweites Schiff geht längs. Aber der Kontrolltaucher meldet, dass der Anker schief sitzt und für die Nacht ist Wind angesagt.

Hier muss der Skipper sich entscheiden, endlich Ankerbier und Cocktails im Sonnenuntergang oder Abbruch, die Crew auf Posten, Anker auf und alles nochmal von vorne. Wie sind die Gegebenheiten Landleine, vielleicht 20 Meter zum Ufer, auflandiger Wind, felsige steile Küste. Der zweite Anker sitzt, aber hält er zur Not beide Schiffe? Also selbst abtauchen. Mist der Anker ist nicht nur schlecht eingegraben, sondern liegt auch auf der Seite.

Am Ende alles kein Problem, wir haben nochmal neu geankert, statt Cocktails gab es Aperol Spritz und wer wollte konnte früh morgens zum Sonnenaufgang und Kaffee an Land. Die Erkenntnis, als Skipper nie zu fest am Plan festhalten, auch wenn man das Tagesziel nicht erreicht, in einer anderen Bucht ankert, die Crew wird es einem verzeihen und ein Alternativplan ist schnell geschmiedet. Lässt man die Möglichkeit des „Scheiterns“ aber nicht zu, kann die Sicherheit leiden. Passieren wird meistens trotzdem nichts, aber Verantwortung wiegt schwer.

Ein zweites Beispiel, zum Glück nicht erlebt, nur erlesen: was, wenn bei Übergabe das Schiff so gar nicht den Erwartungen entspricht, alles verschlissen und wichtige Sicherheitsausrüstung nicht an Bord, würde man wirklich den Urlaub abblasen oder doch mit Bauchschmerzen auslaufen?

Freitag: Schön wars

An unserem Letzen Tag hatten wir wohl den ruhigsten Wind. Der wäre perfekt für den Anfang gewesen, immerhin konnte so jeder nochmal ans Steuer und das Kommando führen und als kleines Geschenk des Meeres haben wir noch Delphine gesehen.

Davon abgesehen ein sehr unspektakulärer Tag, bis auf eine Sache, den Stau! Wenn alle Yachten auf 17 Uhr in den Hafen einlaufen wollen und alle Mittags im halbflauen Wind dümpeln, um dann unter Motor den Hafen anzusteuern, dann kommen auch wirklich alle gleichzeitig.

So schön die Parade der Schiffe im Kanal von Lefkas beim Auslaufen war, so nervig war es im Konvoi zur Tankstelle zu fahren, um dann auf engstem Raum im Wind zu stehen, bis ein Platz am Kai frei wurde. Dann gegen die anderen drei lauernden Freizeitkapitäne durchsetzen und römisch katholisch an der Tankstelle aufstoppen. Weh dem Frischling, der die Woche nicht für ein, zwei Hafenmanöver genutzt hat.

Im Zweifelsfall habe ich mir vorgenommen beim Nächsten Mal doch etwas früher heimzukommen. Letztlich hatten wir aber auch hier Erfolg, mein Vercharterer hat die Galaxy auch direkt an der Tankstelle übernommen, so dass meine Karriere als Skipper nach 7 schönen und aufregenden Tagen ihr Ende fand.

Fazit

Trotz kleiner Vorkommnisse eigentlich nichts passiert. Verglichen mit einigen der früheren Törns lief es sogar sehr gut, zwar hatten wir einige kleinere Verletzungen und minimale Materialschäden zu beklagen, mit beidem muss man aber rechnen – das Meer ist eine garstige Braut. Wirklich kritisch war es nie und alle hatten einen schönen Urlaub –

ich auch (-;